Dienstag, 22. Februar 2011
Mehliges
Neulich an der Backtheke steht da so ein Typ im korrekten Outfit. Perfekt sitzendes Hemd. Farblich dezente Krawatte und gebügelter Anzug. Typ Persil-Mann. Nur aktueller.
"Ich hätte gerne ein Brot. Was haben Sie denn zur Auswahl?"
Die Bäckerin schwenkt in präsentierender Geste vor dem Regal herum und lässt die Hand in der Nähe eines dunklen Getreideproduktes ruhen.
"Dieses hier - Bauernbrot. Roggen. Wird gerne genommen."
"Aha."
Der Kunde zögert.
"Wie schwer ist denn das Biest?"
"1500 Gramm."
Persil-Mann schüttelt den Kopf.
"Nein, das ist definitiv zu viel. Haben sie auch etwas kleineres?"
"Sicher", entgegnet die freundliche Dame hinter der Theke und deutet auf ein Brötchen in der tiefer gelegenen Wühlkiste.
"Die Jungs hier sind kleiner."
Der Typ schaut ziemlich verwirrt und vermag ihre Pokermiene nicht recht zu deuten.
Sicher kein Hesse, sonst wüsste er um den speziellen Humor der hiesigen Ureinwohner.
"Äh...ein wenig größer dann doch", bemerkt er etwas verunsichert.
"Ok", sie tippt auf ein helles Gebilde in Tellerminenform.
"Weizenmischbrot. 500 Gramm. Ausgesprochen kompakt, gutes Handling und bekömmlich."
"Hm...ist aber Weißbrot. Ziemlich ungesund."
"Guter Mann", sagt sie und stemmt die kräftigen Arme in ihre Hüften, "ich esse Weizenbrot seit meine Felgen zahnbestückt sind. Sehe ich etwa ungesund aus?"
"Oh...nein, das wollte ich damit nicht sagen. Sie sehen sehr prächtig aus. Wirklich."
Geschmeichelt hebt die Bäckerin ihr Kinn, streicht sich durch das Haar und lächelt spitzbübisch.
"Gut, dann können wir ins Geschäft kommen. Aufgepasst, letztes Angebot. Roggenmisch, 500 Gramm", und zeigt auf ein schuhförmiges Objekt, "Gesund wie roher Rettich. Zum Ersten, zum Zweiten und..."
"Ok ok, gekauft."
Geld und Ware wechseln den Besitzer.
Neugierig schaut die Verkäuferin den Kerl an.
"Ist das eigentlich für Sie alleine?"
"Du lieber Himmel - nein. Ich mag kein Brot. Ist für die Enten im Bürgerpark."
Die Bäckerin verdreht die Augen und wendet sich mir zu:
"Und Sie? Darf es etwas für Ihr Pferd sein?"
"Nein", entgegne ich, "zum Eigenverzehr - bitte ungesund und in großer Menge."
Sie grinst und nickt verstehend.
Weißmehlesser unter sich.

© by P.H



Virtuelle Sackgassen
Brunhilde nennt sich LadyVaginante und steht auf Theobald.
Der nennt sich Knatterwilli64 und findet Brunhilde irgendwie nicht so entzückend.
Zu verlebt und anhänglich. Außerdem stalkt sie ihn.
Ist seine Meinung.

Theobald interessiert sich eher für Amina.
Die ist als Hupenstar_62 unterwegs, kann aber blöderweise Theobald nicht leiden.
Hat ihn gesperrt, weil er ihr üppige Pullermänner stickerte.
Mochte sie nicht. Hätte lieber Blumengrüße gehabt.
Theobald ist aber eine floristische Niete.
Pech.

Amina findet jedoch Gernot anziehend.
Also virtuell.
Der hat sich HopfenbalkonHH genannt und mag aber Amina nicht.
Die hat ihn mal bei der Wasserschlacht absaufen lassen.
Doofe Sache, weil Gernot ist nachtragend und meidet Flüssiges ohne Umdrehungen.
So kommt es, dass er Marla in seine engere Auswahl gezogen hat.

Marla ist nicht unbekannt.
Nennt sich Bratwurstfach und plaudert gerne.
Das ist auch das Problem.
Tut Gernot nämlich nicht so gerne.
Wenn überhaupt, dann redet er nur mit seinem Spiegelbild und auch nur nach ordentlichem Promilleanlauf.
Ist also nichts mit Marla.
Jedenfalls sie nicht mit ihm.
Marla schwört dagegen auf Hanno.

Ist ne echt coole Sau.
Hat sich als Geburtenratensponsor registriert und leidet unter einem Brauereitumor.
Stört Marla nicht, hat kein Problem mit Frikadellensilos.
Allerdings ist sie völlig kochblond.
Herdlegasthenikerin.
Geht für Hanno gar nicht.
Deshalb hat er Frieda ins Auge gefasst.

Die nennt sich Glockentheke und hat es leider nicht mit Hanno.
Eigentlich mit gar keinem Mann.
Steht nämlich auf Frauen.
Insbesondere auf Brunhilde.
Die ist als LadyVaginante aktiv und....
Shit...hatten wir schon.

Egal, lassen wir das.
Blickt ja eh keine Sau mehr durch.
Echt jetzt.

© by P.H



Donnerstag, 27. Januar 2011
Ölkrise, Blaufrau und Heizdecke
Es ist kalt. Saukalt. Klar, liegt am Wetter. Eis, Schnee und all dieser frostige Kram.
Das ist aber nicht das Problem. Das Problem ist die Heizung. Die sollte eigentlich wohlige Wärme in den heimischen Wänden verbreiten.
Tut sie aber nicht. Ist kalt wie ein Messingtoilettensitz in der sibirischen Tundra.
Nullinie im Heizkessel würde der Fachmann diagnostizieren.

Nicht, dass ich da hilflos wäre. Nein, alles gecheckt.
Sicherung, Kessel und Brennkammer erscheinen aber im Normalzustand.
Ein Mann muss seine Grenzen erkennen und so greife ich zum Telefonhörer.
Der nächstgelegene Fachbetrieb für Heizung und Sanitär.
"Ja, wir schicken Ihnen einen Techniker hinaus. Wird innerhalb der nächsten Stunde eintreffen."

Sicherheitshalber nehme ich die Handtücher von den Radiatoren und stelle sie an die Wand.
Die Dinger haben faszinierende Formen angenommen. Geschwungene Rundungen in Form der Heizungsrippen.
Ich denke über einen neuen Markt für Kunstobjekte nach als es an der Tür klingelt.
"Dünnes Auftragsbuch, dass die so schnell hier aufschlagen", denke ich.

Der Techniker ist eine Technikerin und verboten nett anzuschauen.
Lange, dunkle Haare rahmen ein hübsches Gesicht und mit dem perfekt sitzenden Blaumann könnte sie problemlos die Laufstege in den großen Modemetropolen aufmischen.
Neue Kollektion von Lagerfeld. Bussines Basic Line oder so.
Ich beschließe die Firma in mein persönliches Adressbuch aufzunehmen.

"Sie haben ein Problem mit ihrer Heizung?"
"Ja, die will nicht mehr. Winterschlaf."
Die Lady grinst und fragt nach den Räumlichkeiten.
Wie sie vor mir im Wiegeschritt die Treppe hinuntergeht bedaure ich, dass der Keller nicht deutlich tiefer liegt.
Stramm und prall, ein visuelles Galadinner.

Frau Heizung inspiziert die Lokalitäten und macht sich an die Arbeit.
Rotlackierte Fingernägel auf Kupferrohren - das hat etwas.
So gerne ich dem auch beiwohnen würde, es stehen noch Aufgaben an.
Die Mattscheiben der Fernsehgeräte warten auf Enteisung.
Seufzend steige ich wieder in die Kühlkammer hinauf und gehe meinen Tätigkeiten nach.

Nur wenige Minuten sind vergangen als die Technikerin plötzlich in der Tür steht.
"Tjaa, das war einfach."
Sie grinst breit.
"Wie meinen Sie das?"
"Kein Sprit mehr im Tank. Leergefahren. Private Ölkrise."
Ich hoffe, dass sie die von peinlichem Scham induzierte, krebsrote Färbung meines Gesichtes nicht bemerkt.
"Äh...dann werde ich wohl einen Tankwagen bestellen müssen. Mist auch, das kann dauern."
Sie lächelt.
"Hm..ich hätte eine Heizdecke..."
Gerade schießen Assoziationen an Butterfahrten mit Heizdeckenverkauf durch den Kopf als sie anfügt:
"...und bald Feierabend"
Mein überraschter Blick amüsiert sie.
"Du sorgst für Essen und Getränke, ich für die Wärme."
"Wir haben einen Deal", verkünde ich grinsend.

Der folgende Abend ist ein alles andere als ein frostiges Ereignis.
Das mit der Technik beherrscht sie. Also, nicht nur Heizung.
Keine Ahnung, ob das in der Ausbildung gelehrt wird.
Jedenfalls, kalt war mir zu keinem Zeitpunkt.
Ich glaube mittlerweile, dass Heizungen im Allgemeinen ziemlich überschätzt werden.
Echt jetzt.

© by P.H



Montag, 24. Januar 2011
SMS
Anna sitzt Kai gegenüber und schickt Worte auf Reisen, die seine Ohren häppchenweise erreichen. Das macht sie sehr gekonnt. Ihre Zunge ist ein Kantenschleifer, der virtuos vorhandene Ecken an den Vokabeln glättet. Mit den Zähnen portioniert sie den Redestrom mundgerecht.
Kai registriert das während die Buchstaben in seine Gehörgange stürzen.

"Sonntag Abend essen beim Italiener?", ist auf dem Display des Handys zu lesen. Thomas steht offensichtlich der Sinn nach Ansprache.
"Geht klar.", tippt er und schickt die Antwort über den Äther.
Anna blickt nachdenklich und scheint sich eine passende Dosierung für die nächsten Worte zu überlegen.

"Windows 7, welche Version?", will Heike wissen.
Das Handy zappelt nervös zwischen seinen Fingern.
"Home Premium SBE ist ok für Dich."
"Hier werden sie geholfen", denkt Kai amüsiert nachdem er die Zeilen gesendet hat.

Anna spricht langsamer und schaut dabei auf den Tisch als hätte sie eine bemerkenswerte Unregelmäßigkeit in der Maserung des Holzes entdeckt.
Horst hat mal wieder ein Problem mit seiner Herzdame.
"Lena will sich trennen. Stört sich an meiner Mom. Wäre gerne mal mit mir alleine."
"Kannste nix machen. Lass sie sausen."
Kais Finger fliegen über die Tasten. Das kann er nahezu blind. Selten nur muss er seinen Blick auf das Display richten.

Anna wirkt besorgt mit vager Tendenz zur Traurigkeit.
Ihre Wortfrequenz scheint abgenommen zu haben.
Thomas fragt nach der Uhrzeit für das abendliche Dinner.
"Acht wäre ok."

Irgendwann stehen sie auf der Straße und verabschieden sich.
"Schreib mir eine SMS", sagt Kai und haucht ihr einen Kuss auf die Wange
Anna dreht sich wortlos um und geht.

© by P.H



Donnerstag, 20. Januar 2011
Ein Blick zurück
Hast du schon in Kinderaugen gesehen?
Große, kugelrunde Bildersauger.
Manche voll wärmender Tiefe, andere von strahlender Leuchtkraft.
Glitzernde Sonnen, die durch Schatten schneiden.

In gespannter Erwartung zu großen Menschen aufschauend.
Hängen an deinen Lippen und blinzeln verstehend.
Es mag dich zum Innehalten bewegen.
Dann denkst du darüber nach, wie es war als du mit Kinderaugen gesehen hast.
Vielleicht kannst du es immer noch.
Ich wünsche es dir.

© by P.H.



Mittwoch, 12. Januar 2011
Sie war nicht das, was ich erwartet hatte...
Wir hatten uns virtuell angenähert. So richtig. Sie wusste, welches meine liebsten Antibiotika waren. Ich kannte ihre bevorzugte Einkommensteuer-Software. Die Hosen waren heruntergelassen. Eine reale Begegnung war nun unvermeidlich.
Ihr Profilbild war nett. Nett im Sinne von sympathisch und durchaus ansprechend. Ein fröhliches Gesicht mit kleinen Lachfalten um die dunklen Augen. Braunes, schulterlanges Haar, das sie vertrauenswürdig erscheinen ließ. "Könnte Hochwasserversicherungen verkaufen oder orthopädische Schuheinlagen", so meine Gedankengänge.
Die Telefonate hatten mich weichgekocht. Mehr Schnurren als Stimme. Eine dezente Einfärbung wie unter Einfluss von Single-Malt-Whisky und handgerollten, kubanischen Zigarren, aber ganz und gar nicht unweiblich. Eher phantasieanregend.

Sie kenne ein hübsches, ruhiges Cafe auf halber Distanz, hatte sie gesagt und dabei klang ihre Stimme wieder als würde eine Uhrmacherfeile über die Saiten einer Violine streichen.
Neugier wurde geweckt und andere, vergessen geglaubte Gefühlsregungen.

Das Navi hatte mich sicher geleitet und so lief ich schon vor der Zeit in den Laden ein. War wirklich eine geschmackvolle Lokalität - Truckertreff. Mit Postern von üppigen Damen in sehr sommerlicher Bekleidung und Plastikstühlen aus der Gartenabteilung eines Discounters. Die Musikbox am Ende der endlosen Theke ließ plärrend Countrymusik ertönen und der Wirt reichte mächtige Bierkrüge an die Anwesenden.
Ein solcher wurde mir auch ungefragt ausgehändigt während ich Platz in einer Ecke der Gaststube bezog.

Die intime Atmosphäre genießend ruhte mein Blick auf der Eingangstür als sich diese öffnete und eine Frau in den Laden gespült wurde. Typ Angelina Jolie. Groß, schlank, gesetzeswidrige Kurven und im Gegensatz zu ihrem prominentem Ebenbild eine wilde, blonde Mähne. Sie schaute sich suchend um, entdeckte mich und steuerte prompt auf den Tisch zu.
"Jana - wir kennen uns", sagte sie lächelnd und hauchte mir einen Kuss auf die Wange.
Ich erwiderte die Begrüßung und deutete auf den Stuhl neben mir.
"Torben - setz Dich doch."
Sie bezog Position neben mir und schaute mich an.
"Und, was sagst Du?"
"Nun, ich hatte eine andere Vorstellung. Das Bild entspricht Dir so gar nicht.."
Jana lächelte wobei die vollen Lippen eine makellose Zahnreihe entblößten.
Ihr knappes Oberteil ließ den Blick auf eine üppige Naturtheke zu.
Anwesenden Herren schien dies ebenfalls nicht entgangen zu sein, wie die zahllosen, herumfahrenden Köpfe belegten.
Ein Männertraum, der sich an diesem Ort materialisiert hatte.

Ihre Hand ruhte nun auf meinem Oberschenkel.
"Du bist genau so, wie ich es mir vorgestellt habe", flüsterte sie und die mandelförmigen Augen ruhten wohlwollend auf meinem Gesicht.
"Tja, allerdings habe ich meine Prinzipien."
Verwirrt musterte sie mich.
"Was meinst Du damit?"
"Nun, das Bild war eindeutig nicht von Dir. Geht gar nicht."
Sie zuckte zurück.
"Aber..."
"Lass gut sein", entgegnete ich und schob den Stuhl zurück.

Beim Hinausgehen wurde der Wirt von mir durch ein großzügiges Trinkgeld bedacht.

Auf der Heimfahrt genoss ich das erhabene Gefühl eiserner Prinzipientreue und erfreute mich an der hupenden Wagenkolonne im Rückspiegel während mein Gefährt beharrlich die linke Autobahnspur hielt. 90 km/h und Tempomat.

© by P.H.