Dienstag, 28. Dezember 2010
Der Fluch
Als Melinda die Lichtung betrat, neigte sich der Tag bereits dem Ende zu. Die Sonne ließ letzte rote Strahlen durch die Baumwipfel streifen, als wollte sich mit einem wärmenden Gruß in die Nachtruhe verabschieden. Die Stille war von täuschender Friedlichkeit. Vereinzelt ließ sich Vogelgezwitscher ausmachen und es war, als ob dieser Ort und diese Zeit sie zu betören und in Sicherheit wiegen wollte.

Melinda wusste um dem, was kommen würde. Sie strich über die lederne Brustpanzerung und vergewisserte sich des festen Sitzes indem sie prüfend die Finger über die Verschnürung gleiten ließ.

Melinda hatte kaum die Mitte des Platzes erreicht, als die Ereignisse ihren alljährlichen Verlauf nahmen. Die Kriegerin hörte ihn durch das Unterholz brechen. Schnaubend und mit schwerem Schritt bahnte er sich seinen Weg. Weit konnte er nicht mehr sein, vermochte sie bereits seinen modrigen Geruch wahrzunehmen.

Mit kühler Gelassenheit zog sie das Schwert aus der Scheide und drehte sich in die Richtung der brechenden Äste. Melinda hatte kaum ihre Kampfhaltung eingenommen, als die Bestie sie mit einem gewaltigen Satz anzugehen suchte und dabei scheinbar mühelos die Waldgrenze hinter sich ließ. Die Kriegerin war vorbereitet und mit einer schnellen Körperdrehung hatte sie sich aus der Gefahrenzone bewegt, sodass der Angriff ins Leere ging.

Wütend zuckten die Köpfe des Höllenhundes herum, als er wieder Boden unter seinen Pranken spürte. Aus glühenden Augen maß er sie und sein Muskelspiel ließ erahnen, dass er im Begriff war, einen erneuten Angriff zu führen.

Melinda umfasste den Griff des Schwertes mit beiden Händen und ging in Abwehrhaltung. Mit einem wütenden Knurren schwenkte die Bestie herum und sprang sie erneut an. Die Kriegerin vermochte in letzter Sekunde dem Angriff auszuweichen, spürte aber den stechenden Schmerz als eine der Krallen ihren Arm streifte und eine blutende Wunde hinterließ. Melinda unterdrückte den Schmerz und nutzte die Sekunde in der die Bestie sich erneut zu orientieren suchte. Sie trat heran und mit einem gewaltigen Hieb ihres Schwertes trennte sie einen der Köpfe vom Rumpf des Höllenhundes.

Die Bestie ließ eine wütendes Heulen vernehmen, während die verbliebenen Köpfe herumfuhren und sie mordlüstern fixierten. Melinda wusste um ihre Chance dem Treiben ein Ende zu bereiten, würde doch nun eine unüberlegte Attacke in blindem Zorn folgen.

Sie gab federnd ein wenig in den Knien nach, als der Höllenhund erneut zu einem Sprung ansetzte. Melinda schwang zurück, sodass sie sich dem Unterkörper der Bestie gegenübersah. Mit einer raschen und gezielten Bewegung stieß sie das Schwert tief in die Brust des Höllenhundes. Blut rann aus der Wunde und färbte die Erde in dunklem Rot. Das wütende Knurren der Bestie erstarb und wurde zu einem langgezogenen Heulen, das schließlich verklang, als diese zu Boden fiel und leblos zu liegen kam.

Melinda atmete schwer. Sie wischte das Blut von ihren Händen im Gras ab und näherte sich dem Untier. Wissend um die kommenden Momente, die Jahr für Jahr herbeigesehnt, ließen sie ihr Herz nun in rasendem Takt höher schlagen.

Die Kriegerin zog das Schwert aus der Wunde, sah zu, wie sich diese sofort verschloss und die Wandlung einsetzte. Der mächtige Körper des Höllenhundes veränderte sich. Köpfe bildeten sich zurück, der Rumpf zuckte, waberte und nahm Gestalt an - Beine, Arme und die Gesichtszüge eines Menschen wurden sichtbar.
Wenig später war die Verwandlung abgeschlossen und sie blickte auf den Körper eines Mannes.

"Tarig..."
Er schlug die Augen auf und sah sie an: "Melinda...Du hast erneut..."
Sie ließ sich in seine starken Arme sinken, ihre Lippen trafen sich und es war, als wären sie nie getrennt.
Hastig streifte sie die Kleidung ab und legte sich an seine Seite.

Sie berührten sich, erst zart, vorsichtig, dann fordernd und schließlich umklammernd, während sie sich dem Liebesspiel hingaben.
Ertrinkende, Hungernde - immer und immer wieder verlangten sie einander.

Der volle Mond tauchte die Lichtung in ein geheimnisvolles Licht und ließ ihre Leiber weiß schimmern, während sie sich im gemeinsamen Rhythmus wiegten.

Es mochten Stunden vergangen sein, als beide die Müdigkeit erfasste und erschöpft zur Ruhe kommen ließ.
"Melinda, wie lange bleibt uns...?"
Sie sah zum Himmel auf.
"Wenige Stunden - die Sonne wird bald aufgehen."
Tarig drehte sich und nahm ihren Kopf in seine Hände.
"Ich liebe Dich."
Tränen schimmerten in ihren Augen.
"Ich weiß, ich liebe Dich nicht minder...dieser Fluch..."
Traurig sah er sie an. Sie schaute das Gesicht des geliebten Mannes. Seine vollen Lippen bebten und sie wusste um die schmerzhaften Ustände ihrer Verbindung, fühlte sie doch gleiches.

Sie schauten sich in die Augen und lasen ihre Seelen. Worte, die nicht gesprochen wurden, Gedanken, die nicht formuliert werden mussten, Gefühle, die keiner Ausführung bedurften.

Der Tag war bereits hereingebrochen und die Sonne sandte vorsichtig erste Strahlen über die Baumwipfel, als Tarig sie verließ.
Melinda blieb zurück, war ihr der Zugang zu dem Ort doch nicht gestattet.

Tränen flossen über ihre Wangen, während ihre Augen ihn verfolgten, bis er nicht mehr sichtbar.
Ein Blick in tiefer Wehmut, während er ein letztes Mal den Kopf wendete und verschwand - die stumme Frage nach einem Wiedersehen in seinem Gesicht geschrieben.
Sie sah ihm noch nach, als die Sonne bereits hoch am Himmel stand, ihre Tränen versiegt und der Körper müde vor Trauer...

© by P.H.



Sonntag, 26. Dezember 2010
Wohlfeiles für den Alltag
Es begann zu dämmern, als ich meine Schritte durch eine Nebenstraße der Einkaufsmeile lenkte.
Die Tasche mit den erbeuteten Geschenkartikeln schnitt schmerzend in die rechte Hand.
Durchaus beruhigend, gab es mir das Gefühl, eine erfogreiche Jagd absolviert zu haben.

Die sparsame Straßenbeleuchtung ließ die Häuserfronten in einem unwirklichen Farbton erscheinen. Nie zuvor hatte ich diesen Weg genommen, war ich mir aber denoch sicher, in dieser Richtung den Parkplatz zu finden.
Während des Marsches wurden mit einem Mal meine Blicke auf ein Schaufenster gelenkt, schien es doch so unpassend zu den bunten, blinkenden Weihnachtsdekorationen der Innenstadt.
„Wohlfeiles für den Alltag“, las ich auf dem wettergezeichneten Schild, das über der kleinen Eingangstür prangte.
In der Auslage einige Dinge, die auf mich den Eindruck machten, als wäre die Zeit an diesem Laden wirkungslos vorübergezogen.
Meerschaumpfeifen, Besen, Füllfederhalter und Tassen – eine bunte Sammlung unspektakulärer Waren.

Es muss wohl meine Neugier gewesen sein, die mich dazu bewog, einen Blick in diesen sonderbaren Laden zu werfen. Mit dem hellen Ton eines Glockenspiels öffnete sich die Tür, als ich sie aufschwingen ließ. Im Halbdunkel erkannte ich einen kleinen Raum, der bis unter die Decke mit allerlei praktischen Dingen ausstaffiert war. Fein säuberlich in altertümlichen Holzregalen ausgelegt.

Amüsiert glitten meine Blicke über die Vielfalt, als mich eine Stimme innehalten ließ:
„Guten Abend, darf man ihnen behilflich sein ?“
Aus dem Halbdunkel schälte sich schemenhaft eine ältere Dame hervor. Langes, weißes Haar umgab ein freundliches Gesicht, das eine Wärme ausstrahlte, die sich scheinbar nahtlos in das Sortiment einzufügen schien.
Überrascht dürften meine Worte geklungen haben:
„Guten Abend, ich sah ihren Laden und war neugierig…na ja, eigentlich wollte ich nur mal einen Blick hineinwerfen…“

Sie lächelte und machte einen Griff in ein Regal, das verborgen hinter ihr stand. In der Hand hielt sie nun eine Kerze, die sie mir präsentierte.
“Das ist es, was sie haben sollten.“
Verwirrt begann ich in den Taschen nach meinem Geldbeutel zu suchen, als sie kurzerhand die Kerze in eine meiner Tüten gleiten ließ.
„Nein, betrachten sie es als Geschenk. Es soll ihnen Glück bescheren.“
Höflich bedankte ich mich und werließ wenig später den Laden.

Es war bereits dunkel, als ich meine Wohnung erreichte. Die Tür fiel hinter mir ins Schloss und mit erleichternder Zufriedenheit begann ich meine Einkäufe sorgsam zu sortieren, da fiel mir die Kerze in die Hände.
Nicht sonderlich ungewöhnlich. Eine grobe Handarbeit aus gelbem Wachs.
Für diesen Moment ideal, um mir meinen Abend stimmungsvoll zu verschönern. So nahm ich Platz auf der Couch, betätigte den Knopf des Fernsehapparates und zündete die Kerze an.
Wohltuender Duft verbreitete sich im Raum. Behagliche Entspannung strömte durch meinen Körper und so sank der Kopf auf das Kissen. Wenig später fand ich mich in einem Traum wieder.
Kein angenehmer Traum – das unbekannte Gesicht eine jungen Mädchens, blutüberströmt. Berstendes Metall, Schreie…Schreie, die mich hochschrecken ließen.

Schweißüberströmt erwachte ich und bemerkte, dass bereits der Morgen angebrochen war. Helles Licht flutete durch die Fenster.
Mein Kopf dröhnte und ich fühlte mich wie nach einer Betriebsfeier mit dem Brauereiverband.
Frische Luft erschien mir das geeignete Mittel, um diesen Zustand entgegenzuwirken.
So schlüpfte ich in meine Jacke und verließ die Wohnung, um einen Spaziergang im nahe gelegenen Park zu absolvieren.

Der Weg führte mich entlang der hohen Parkmauern. Mauern, die dem Lärm des geschäftigen Stadttreibens trotzten.
Es mochte eine halbe Stunde verstrichen sein und mein Kopf begann sich zu klären, als mir ein junges Mädchen auf einem Fahrrad entgegenkam.
Unsicherer Fahrt benötigte sie ein gutes Stück der Wegesbreite, um voranzukommen.
Ich blickte sie an und erstarrte. Wolbekannt erschien sie mir.
Es war jenes Mädchen, das mir zuvor im Traum erscheinen war.

Ich weiß heute nicht mehr, was mich dazu bewegt haben mochte – mit einem lauten Ruf stoppte ich ihre Fahrt.
„Hey...warte einen Moment.“
Ein merkwürdig dringendes Gefühl, sie aufhalten zu müssen.
Erstaunt betätigte sie ihre Bremse und kam vor mir zu stehen.
Ich setzte an und wollte sie gerade zu ihrer Fahrweise ansprechen, als ohrenbetäubender Lärm hinter meinem Rücken ertönte.
Aus den Augenwinkeln nahm ich die Umrisse eines Lastwagens wahr, der gerade wenige Meter hinter uns die Parkmauer durchbrach und nun quer auf dem Weg mit quietschenden Bremsen stoppte.
Menschen eilten herbei und bargen den Fahrer aus der Kabine, der offenichtlich keine Verletzungen erlitten hatte.
Mit sorgenvollem Blick vergewisserte ich mich, dass dem Mädchen nichts geschehen war.

Die spätere Untersuchung ergab, dass dem Schwertransporter während der Fahrt eine Radachse gebrochen war und den Wagen unlenkbar werden ließ.

Übrigens, den Laden in der Seitenstraße habe ich trotz wiederholter Suche nicht mehr finden können…

© by P.H.



Freitag, 24. Dezember 2010
Weihnachten 2.0
"Wie mir das auf den Sack geht", stöhnt Santa.
Er nimmt einen tiefen Zug von der mächtigen Tüte, die zwischen seinen Lippen klebt und beobachtet den aufsteigenden Rauch.
Süßlicher Geruch durchströmt die Höhle. Ruprecht schaut ihn mit glasigem Blick an und wiegt bedächtig den Kopf.

"Hättest Dir vorher die Stellenbeschreibung gründlicher durchlesen sollen."
"Hör mal, wenn Du jahrelang von der Hand in den Mund lebst, bist Du dankbar für jedes Angebot."
Ruprecht grinst und schraubt den Verschluss der Whiskeyflasche auf. Goldbraun plätschert die Flüssigkeit in das hohe Kristallglas.

"Rente?"
Santa zuckt mit den Schultern.
"Keine Ahnung, stand nichts im Vertrag dazu."
"Naja, immerhin ist es krisensicher", spöttelt Ruprecht und nippt an dem Glas.
"Von Auslandseinsatz und Reisebereitschaft war die Rede. Hätte ich gewusst, dass das heißen würde, sich am Nordpol den Arsch abzufrieren..."

Ruprecht stößt ein glucksendes Lachen hervor.
"Hey, sieh mal die Vorteile: Prima Luft, ein Dach über dem Kopf und Dienstfahrzeug."
"Dienstfahrzeug? Nicht Dein Ernst. Diesen vorsintflutlichen Schlitten mit Rentierantrieb? Einen nikolausroten Hummer mit weißem Vinyldach hatte ich beantragt."
"Und?"
"Nix und. Abgelehnt", entgegnet Santa seufzend und nimmt einen weiteren Zug an der Tüte.
"Mit welcher Begründung?"
"Ach, Image, Vorbildfunktion, Klimaerwärmung und so."
"Naja, verständlich."
"Ach, verständlich", schnaubt Santa, "dann auch noch diese alberne Dienstkleidung. In dem Outfit tendieren Deine Chancen bei den Bräuten gegen Null."

"Jetzt lass doch mal dieses Gejammer. Andere wären froh, hätten sie Deinen Job. Immerhin hast Du die meiste Zeit des Jahres frei. Bei vollem Lohnausgleich."
"Ist auch der einzig positive Aspekt, ansonsten hätte ich schon längst gekündigt."

Leichtfüßig betritt Angelina den Raum. Santa heftet seine wohlwollende Blicke auf ihre Gestalt und den Formen, die sich unter dem Hauch von Engelsgewand abzeichnen.
"Santa, Schatz, ein neuer Auftrag. Ich weiß, eigentlich hättest Du schon Feierabend, aber sei doch bitte so lieb."
SIe lächelt verführerisch und stöhnend erhebt sich Santa von dem Stuhl.
"Ok, weil Du es bist.."
"Die Überstunden bekommst Du zusätzlich vergütet und wenn Du zurück bist, werde ich Dir eine wohltuende Massage angedeihen lassen."
Ein zufriedenes Lächeln huscht über Santas Gesicht.
"Sicher, meine Liebe, bin schon im Einsatz!"
Sprach`s und war verschwunden.

"Der kommt bald wieder", grinst Ruprecht und hebt sein Glas in Agelinas Richtung, "Cheers - auf Weihnachten."

© by P.H.



Donnerstag, 23. Dezember 2010
Der heiße Draht
Lümmel in halbliegender Position auf dem Bett, Laptop vor mir, als das Handy klingelt.
Die Nummer auf dem Display erscheint mir so nichtssagend wie eine Phil Collins-Platte.
"Hallo?"
"Du hinterlistige Ratte..(lautes Schniefen hörbar)...warum hast Du mir das angetan?"
In wilder Abfolge tanzen Gesichter vor meinem geistigen Auge. Zuordnung jedoch nicht möglich. Keine Ahnung, wem ich nun wieder das Dasein vermiest haben könnte.
Meine Entscheidung fällt auf die multikompatible Taktik.
"Äh...es ist nicht so wie Du denkst."
Laute Schnäuzgeräusche am anderen Ende.
"Ach ja ? Warum erzählt Jessica dann überall wie geil die letzte Nacht war ?"
Erleichterung macht sich bei mir breit.
Meine letzte "geile" Nacht lässt sich mit reichlich gutem Willen irgendwo in die Kreidezeit datieren und gewiss war da keine Jessica involviert.
"Wer ist denn da ? Hör mal, ich glaube, Du hast Dich verwählt."
"Nele...Marcel?"
Ein nervöses aber deutlich erleichtertes Lachen entgleitet mir.
"Nein, ich bin nicht Marcel. Welche Nummer hast Du denn gewählt?"
Wir gleichen die Ziffernfolge ab und stellen fest, dass die letzte Zahl einen Dreher enthält.

Als sie aufgelegt hat, wähle ich Marcels Nummer.
"Hey, Nele hat mich gerade angerufen. Ärger droht. Das mit Jessica ist aufgeflogen."
Schweigen.
"Alder, wer bist Du denn, was hast Du mit der Sache zu tun?"
Ich schildere ihm die Umstände und berufe mich auf männliche Solidarität.
Schweigen
"Ok, Alder, gecheckt. Krassen Dank. Hömma, bist cool. Kannste Jessi anrufen und ihr stecken, dass sie die Klappe halten soll?"

Halbe Sachen sind nicht meines. Also nehme ich die Nummer entgegen und lasse es klingeln.
"Ja?"
Verführerische Stimme.
Wenn sie so ist, wie sie klingt, hat Marcel mein vollstes, testosteronhaltiges Verständnis.
Sie lauscht meiner Erzählung gespannt und beteuert glaubhaft, nie etwas mit Marcel gehabt zu haben.
Überhaupt wäre dieser ein Blindflansch und bestenfalls als Korrekturleser in der M&M-Fabrik zu gebrauchen.
Außerdem hätte Kai diese ganze Sache in die Welt gesetzt und Kai hätte Beef mit Marcel, weil dieser mal seine Schwiegermutter geknattert hätte.

Mein Schädel brummt und ich werfe mir eine Aspirin ein.
Zwei weitere Nummern umfasst nun mein Telefonspeicher.
Ich überlege kurz und wähle dann erwähnte Schwiegermutter an.
Am anderen Ende der Leitung meldet sich Schwester Bernadetta vom Kloster der Franziskanerinnen.
Feine Schweißperlen bilden sich auf meiner Stirn und ich verspüre ein ungutes Gefühl in der Magengegend.
Allmählich wächst mir die Sache über den Kopf.
Mit dem Herren da oben habe ich ein stilles Agreement - wir gehen uns vorläufig aus dem Weg.

"Oh, Verzeihung - falsch verbunden."
Ich lege auf, tupfe mir die Stirn ab und atme durch.
Eine Nummer verbleibt.
Neues Spiel, neues Glück.
"Gay-Club Tucan, wie kann ich Dir helfen, mein Lieber?"
Mir entfährt ein kurzes, trockenes Hüsteln, dann frage ich nach Kai.
"Ach, Schatz, der ist gerade beschäftigt, aber wir hätten noch..."
Ich unterbreche ihn, bedanke mich höflich und versichere, mich später wieder zu melden.

Die Kiste wird mir nun endgültig zu heiß.
Zurück zum Start.
Nele hebt ab und erklärt mir , dass sie soeben die Beziehung zu Marcel pulverisiert hätte.
Ich beglückwünsche sie zu der Entscheidung und verabrede mich auf einen Kaffee mit ihr.
Irgendwie scheinen mir die Sterne doch gewogen.
Ich glaube, da geht was.

© by P.H.



Mittwoch, 22. Dezember 2010
Lasagne und Stella
"Ne, lass mal, ich mach das schon."
Stella schiebt mich zur Seite und schaufelt mit der Kelle eine ordentlich Ladung Hackfleischsauce in die Form.
"Hey, das soll ein Gemeinschaftsprojekt sein und keine One Woman-Show."
"Okeee, von mir aus", stöhnt sie gespielt entnervt und rückt zur Seite.

Ich greife in die Packung mit den Lasagneblättern und verteile die Platten flächendeckend auf dem Hackfleisch.
Stella schaut interessiert zu. Ihre dunklen Augen verfolgen aufmerksam die Bewegung meiner Hände.
Irgendwie lauernd, als warte sie auf den kleinen, entscheidenden Fehler, der sie wieder in die Pole-Position spielen könnte.
Die Gelegenheit biete ich ihr aber nicht.

Gekonnt landet die Bechamel-Sauce in der Form und bahnt sich ihren Weg über die Schichten. Fugenfüller, denke ich noch.
Dann ergreift Stella wieder die Initiative und stapelt ihrerseits die restlichen Komponenten auf.
Final wird die ganze Kreation mit einer beeindruckenden Schicht geriebenen Käses gekrönt.

Der Backofen hat inzwischen Betriebstemperatur erreicht.
Sanft schnurren die Mühlen der Umluft und in satten Orange glühen die Stäbe des Grillgestänges.
Ich schiebe das Gemeinschaftsprodukt auf die Schiene und schließe die Klappe der Braterei.
Wir sitzen vor der Scheibe und wohnen dem Schauspiel bei.

Die Minuten vergehen und irgendwann schießt eine kleine Flamme aus der Form. Blau ist sie.
"Der Käse muss ziemlich schwefelhaltig gewesen sein", mein Stella und grinst.
Ich öffne die Klappe und schlagartig durchströmt wohltuende Wärme die Küche.
Hell tanzen die Flammen auf der Lasagne und werfen gespenstische Motive auf die Wände in dem inzwischen dunklen Raum.

Ich küsse Stella, was sie leidenschaftlich erwidert.
Wir lieben uns auf dem Boden vor dem Herd. Intensiv und im Angesicht der wärmenden Glut.
Irgendwann steht sie auf und bewegt sich zum Kühlschrank.
Aus dem Fach zieht sie zwei Flaschen des dunklen Bockbieres, welches nur in der Weihnachtszeit erhältlich ist.
Die Verschlüsse öffnen sich mit einem satten >Plopp<.
Schwer rinnt das dickflüssige Getränk die Kehle hinunter und verbreitet wohlige Wärme. Diesmal von innen heraus.

"Hättest Du sie essen wollen?"
Stella schüttelt lachend den Kopf.
"Nein, das wusstest Du aber."
"Klar", entgegne ich grinsend.

Sie sitzt mir im Schneidersitz gegenüber.
Meine Augen wandern über ihre Haut und verfolgen kleine Schweißperlen, golden schimmernd und irgendwo zwischen ihren Brüsten Bahnen legend.
"Ich liebe Dich", entfährt es uns zeitgleich.
Wir müssen lachen.
Sie sieht mich an, hebt die Flasche und prostet mir zu.
"Merry Christmas, mein Schatz."

© by P.H.