>>PIEP<<
Der Wecker nervt. Gibt jammernde Geräusche von sich. Einen penetranten
Piepton, als könnte er es nicht ertragen, mich schlafend zu sehen.
Träge lasse ich meine Hand auf den Wach-Schalter fallen. Glatt gelogen. Von
wach kann nicht die Rede sein, aber anders wird sich der Bursche nicht zum
Schweigen lassen bringen.
In einem Zustand zwischen Tiefschlaf und horizontalem Stehen beobachte ich
aus der Ferne, wie sich mein Körper erhebt, in die Küche schlurft und Kaffee
bereitet. Morgendliche Routinetätigkeit. Tausendfach absolviert und für
halbwegs geeignet befunden, um sich einem wachartigen Stadium anzunähern.
Die für den heutigen Tag geplante Garderobe droht in Gefahr zu geraten, da
die Jeans noch Restfeuchtigkeit aus dem vorangegangenen Waschprogramm
exportiert hat. Das Kurzprogramm des Trockners wird sie in Tragebereitschaft
versetzen. Schnaufend läuft die Maschine an und verschafft mir die nötige
Zeit, um ein komprimiertes Pflegeprogramm zu absolvieren.
Auf dem Weg in das Hygienezentrum füttere ich die Mikrowelle mit einigen
Brötchen aus dem Tiefkühler. Auftauen und Grillen. Ein Hoch auf die
fabelhafte Welt der modernen Lebensmittelbereitung.
Unter der Dusche verkünden schüchtern einige Lebensgeister von ihrer
Existenz. Allmählich kehrt das Licht- und Farbempfinden zurück und während
ich noch Wasserreste mit dem Handtuch beseitige, klingen Geräusche aus der
Küche, die von der Fertigstellung gestarteter Aufträge zeugen.
Die Kaffeemaschine piept und weist mich nervös auf ihren Status hin. Ich
schalte sie aus, greife nach einer Tasse und wende mich dem Kühlschrank zu,
um diesem etwas Milch zu entnehmen. Der frostige Kollege piept aufdringlich,
weil bei vorangegangener Entnahme der Mehlprodukte die Klappe von mir nicht
sachgemäß geschlossen wurde. Nun meckert der Bursch über steigende
Temperaturen. Pingeliges Teil. Trotz Behebung des Problems tönt er weiter.
Finde den Schalter zum Deaktivieren des Signales nicht.
Das Handy piept und weist mich auf einen bevorstehenden Termin hin.
Arztbesuch am Nachmittag. Check beim Heilkundigen für Kopfflossen. In der
letzten Zeit werde ich immer wieder von lästigen Pieptönen heimgesucht.
Apropos Piepen. Das lässt nun auch der Trockner hören und meldet damit
Vollzug.
Die Jeans ist in einem tragbaren Zustand. Ich entnehme das Beinkleid und
schlüpfe hinein.
Irgendwo piept es und die Ortung gelingt mir nicht auf Anhieb. Erst nach
einigen Irrläufen lässt sich der Wecker als Quelle ausmachen. Das
aufdringliche Biest will sich nicht mit meiner offensichtlichen Bettferne
begnügen und mahnt erneut zur Wachsamkeit. Die Taste zur dauerhaften
Schweigsamkeit lässt sich nicht finden.
Liegt zu großen Teilen daran, dass Rauchschwaden durch die Luft ziehen. Dies
geht Hand in Hand mit einer spürbaren Abnahme der allgemeinen Sicht- und
Luftqualität. Panik erfasst mich auf dem Weg zur Küche. Durch die
Nebelschwaden ist das Piepen der Mikrowelle zu hören. Nachdem der Weg zu der
Maschine ertastet ist, entnehme ich die qualmenden Brötchenbriketts der
Maschine und beschließe sie der nächsten Grillveranstaltung als
Holzkohleersatz zuzuführen.
Das Handy piept erneut und kündet freudig vom Empfang einer SMS. Irgendeine
Werbung. Hausratsversicherung oder so.
Der Kühlschrank sendet weiterhin seine monotone Botschaft und erneut schlägt
der Wecker an. Ich öffne das Fenster und entlasse die Rauchschwaden in die
Freiheit. Dabei versuche ich mich in einen seelenbaumelnden Zustand zu
versetzen. Das tiefe Durchatmen lässt mich allerdings in heftige
Hustenattacken verfallen. Unter gehauchter Pressatmung schließe ich die
Augen und zähle leise vor mich hin. Bei 497 ertönt lautstarkes Piepen.
Beinahe ein Heulen. Spät, aber bestimmt meldet sich der Rauchmelder im Flur
zu Gehör. Billigware aus dem Baumarkt. Sonst ein schweigsamer Geselle,
verfällt er nun in aufdringliche Anwesenheitsbekundungen.
In meinem Kopf tönt und pfeift es, als wäre die Jamba-Zentrale zwischen den
Ohren. Aus der Kehle dringt trockenes Lachen, das von resignativer
Verzweiflung zeugt.
Mit letzter Kraft taste ich nach dem Handy, um der Dispoberaterin meiner
Hausbank einen letzten Willen zu formulieren. Die Pläne scheitern, weil das
Handy noch einmal piept, um mir seinen kritischen Ladezustand zu
signalisieren und erlischt anschließend.
Irgendwo ertaste ich den Autoschlüssel und stürze aus der Wohnung.
Wohltuende Stille umgibt mich auf dem Platz hinter dem Steuer. Der Motor
startet und im selben Moment ist eine blinkende Warnlampe auf dem Display zu
sehen. Treibstoffvorrat neigt sich dem Ende zu. Der Kollege zapft nun die
Reserven an. Das Piepen mahnt mich zum baldigen Tankstellenbesuch.
Den verschiebe ich, lasse den Wagen am Waldrand stehen und flüchte in die
stille Einsamkeit der Natur. Irgendwo auf einer Lichtung findet sich ein
Platz zur besinnlichen Einkehr. Setze mich dort nieder und genieße die
Abwesenheit jeglicher Warnsignale. In naher Ferne sehe ich einen Traktor
seine Bahnen über die Felder ziehen. Bei jedem Erreichen der Ackergrenze
piept die Landmaschine…
© by P.H.
dunkelgrell am 23. März 11
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