Trisexualität
Johanna trägt ein knallrotes Shirt mit weißer Aufschrift - "Open your mind".
Passt zu ihrem rabenschwarzen Haar und den dunklen Augen. Spannender Kontrast.
Sie setzt das Glas an und schüttet sich den Drink in die Kehle. Ein Gemisch aus Cola und Jim Beam. Keine Ahnung, wie viele von den Dingern schon den Weg in ihre Figur gefunden haben, aber mir wären inzwischen sämtliche Dichtungen abgesprungen.
Johanna grinst nur und schüttelt sich kurz.
"Bist ja ein brauchbares Stück Kerl. Meinst Du, es könnte passen?"
Ich zucke mit den Schultern und versuche ihrem unruhigen Blick zu folgen. Irgendwie gehetzt. Wandert ständig zwischen Theke und Kellner hin und her.

"Na ja, immerhin schreiben wir uns schon eine ganze Weile und dann die unzähligen Telefonate. Hatte den Eindruck, dass wir gegenseitige Zeitverwertungsrechte erheben könnten."
Ihre Augen verlieren an Fahrt und bleiben an meinen haften.
"Aber die entscheidenden Fragen haben wir noch nicht geklärt", entgegnet sie und setzt eine Miene auf, die Vertragsverhandlungen anzukündigen scheinen.
"Welche Fragen wären das?"
"Sex und so."
"Was ist damit?
Johanna beugt sich herüber und ihre Stimme senkt sich verschwörerisch.
"Wie ist denn Deine Ausrichtung?"
Ich vermute, dass die Frage nicht auf meine politische Gesinnung abzielt.
"Hetero...oder was meinst Du?"
Johanna lässt verächtlich Luft durch aufgeblasene Backen entweichen.
"Puh...wie öde. Wahrscheinlich kaufst Du sonntags auch noch Brötchen zum Frühstück..."
"Äh...ich mag frische Brötchen..."
Ihr Blick hat zerstörenden Charakter.
"Bin trisexuell."
"Hä?"
"Maaan", entfährt es ihr, "t-r-i-s-e-x-u-e-l-l."

Mir scheint, als würde die Achse der Unwissenheit mitten durch unseren Tisch verlaufen.
"Wie meinst Du das?"
"Könnte glatt meinen, Du bist geistig ein wenig minderbelüftet", spottet Johanna.
Offensichtlich hat sie meinen hilflosen Gesichtsausdruck bemerkt.
"Soll heißen, Männer, Frauen und mich. Trisexuell eben."
"Aha...da wird es aber eng im Schlafzimmer...."

Johanna schiebt den Stuhl zurück.
"Das wird dann wohl nichts mit uns", sagt sie und steht auf.
Eine kurze Verabschiedung, dann bewegt sich ihre Silhouette zum Ausgang.
Ich mag mich täuschen, aber mir scheint, als hätte sie dabei die Hand in ihrem Schritt.
Egal.
Am Sonntag gibt es Brötchen.
Frisch aus der Maschine. Warm und verboten lecker duftend.

© by P.H.