Mittwoch, 23. März 2011
>>PIEP<<
Der Wecker nervt. Gibt jammernde Geräusche von sich. Einen penetranten
Piepton, als könnte er es nicht ertragen, mich schlafend zu sehen.

Träge lasse ich meine Hand auf den Wach-Schalter fallen. Glatt gelogen. Von
wach kann nicht die Rede sein, aber anders wird sich der Bursche nicht zum
Schweigen lassen bringen.

In einem Zustand zwischen Tiefschlaf und horizontalem Stehen beobachte ich
aus der Ferne, wie sich mein Körper erhebt, in die Küche schlurft und Kaffee
bereitet. Morgendliche Routinetätigkeit. Tausendfach absolviert und für
halbwegs geeignet befunden, um sich einem wachartigen Stadium anzunähern.

Die für den heutigen Tag geplante Garderobe droht in Gefahr zu geraten, da
die Jeans noch Restfeuchtigkeit aus dem vorangegangenen Waschprogramm
exportiert hat. Das Kurzprogramm des Trockners wird sie in Tragebereitschaft
versetzen. Schnaufend läuft die Maschine an und verschafft mir die nötige
Zeit, um ein komprimiertes Pflegeprogramm zu absolvieren.

Auf dem Weg in das Hygienezentrum füttere ich die Mikrowelle mit einigen
Brötchen aus dem Tiefkühler. Auftauen und Grillen. Ein Hoch auf die
fabelhafte Welt der modernen Lebensmittelbereitung.

Unter der Dusche verkünden schüchtern einige Lebensgeister von ihrer
Existenz. Allmählich kehrt das Licht- und Farbempfinden zurück und während
ich noch Wasserreste mit dem Handtuch beseitige, klingen Geräusche aus der
Küche, die von der Fertigstellung gestarteter Aufträge zeugen.

Die Kaffeemaschine piept und weist mich nervös auf ihren Status hin. Ich
schalte sie aus, greife nach einer Tasse und wende mich dem Kühlschrank zu,
um diesem etwas Milch zu entnehmen. Der frostige Kollege piept aufdringlich,
weil bei vorangegangener Entnahme der Mehlprodukte die Klappe von mir nicht
sachgemäß geschlossen wurde. Nun meckert der Bursch über steigende
Temperaturen. Pingeliges Teil. Trotz Behebung des Problems tönt er weiter.
Finde den Schalter zum Deaktivieren des Signales nicht.

Das Handy piept und weist mich auf einen bevorstehenden Termin hin.
Arztbesuch am Nachmittag. Check beim Heilkundigen für Kopfflossen. In der
letzten Zeit werde ich immer wieder von lästigen Pieptönen heimgesucht.

Apropos Piepen. Das lässt nun auch der Trockner hören und meldet damit
Vollzug.
Die Jeans ist in einem tragbaren Zustand. Ich entnehme das Beinkleid und
schlüpfe hinein.
Irgendwo piept es und die Ortung gelingt mir nicht auf Anhieb. Erst nach
einigen Irrläufen lässt sich der Wecker als Quelle ausmachen. Das
aufdringliche Biest will sich nicht mit meiner offensichtlichen Bettferne
begnügen und mahnt erneut zur Wachsamkeit. Die Taste zur dauerhaften
Schweigsamkeit lässt sich nicht finden.

Liegt zu großen Teilen daran, dass Rauchschwaden durch die Luft ziehen. Dies
geht Hand in Hand mit einer spürbaren Abnahme der allgemeinen Sicht- und
Luftqualität. Panik erfasst mich auf dem Weg zur Küche. Durch die
Nebelschwaden ist das Piepen der Mikrowelle zu hören. Nachdem der Weg zu der
Maschine ertastet ist, entnehme ich die qualmenden Brötchenbriketts der
Maschine und beschließe sie der nächsten Grillveranstaltung als
Holzkohleersatz zuzuführen.

Das Handy piept erneut und kündet freudig vom Empfang einer SMS. Irgendeine
Werbung. Hausratsversicherung oder so.

Der Kühlschrank sendet weiterhin seine monotone Botschaft und erneut schlägt
der Wecker an. Ich öffne das Fenster und entlasse die Rauchschwaden in die
Freiheit. Dabei versuche ich mich in einen seelenbaumelnden Zustand zu
versetzen. Das tiefe Durchatmen lässt mich allerdings in heftige
Hustenattacken verfallen. Unter gehauchter Pressatmung schließe ich die
Augen und zähle leise vor mich hin. Bei 497 ertönt lautstarkes Piepen.
Beinahe ein Heulen. Spät, aber bestimmt meldet sich der Rauchmelder im Flur
zu Gehör. Billigware aus dem Baumarkt. Sonst ein schweigsamer Geselle,
verfällt er nun in aufdringliche Anwesenheitsbekundungen.

In meinem Kopf tönt und pfeift es, als wäre die Jamba-Zentrale zwischen den
Ohren. Aus der Kehle dringt trockenes Lachen, das von resignativer
Verzweiflung zeugt.
Mit letzter Kraft taste ich nach dem Handy, um der Dispoberaterin meiner
Hausbank einen letzten Willen zu formulieren. Die Pläne scheitern, weil das
Handy noch einmal piept, um mir seinen kritischen Ladezustand zu
signalisieren und erlischt anschließend.

Irgendwo ertaste ich den Autoschlüssel und stürze aus der Wohnung.
Wohltuende Stille umgibt mich auf dem Platz hinter dem Steuer. Der Motor
startet und im selben Moment ist eine blinkende Warnlampe auf dem Display zu
sehen. Treibstoffvorrat neigt sich dem Ende zu. Der Kollege zapft nun die
Reserven an. Das Piepen mahnt mich zum baldigen Tankstellenbesuch.

Den verschiebe ich, lasse den Wagen am Waldrand stehen und flüchte in die
stille Einsamkeit der Natur. Irgendwo auf einer Lichtung findet sich ein
Platz zur besinnlichen Einkehr. Setze mich dort nieder und genieße die
Abwesenheit jeglicher Warnsignale. In naher Ferne sehe ich einen Traktor
seine Bahnen über die Felder ziehen. Bei jedem Erreichen der Ackergrenze
piept die Landmaschine…

© by P.H.



Bunte Lichter
Manche Dinge ändern sich nie. Jahreszeiten zum Beispiel oder, dass die Ampel an der Ortsausfahrt immer rot schaltet, wenn sie meinen Wagen erspäht. Ist eine Gesetzmäßigkeit und stört inzwischen gar nicht mehr. Bin sogar daran gewöhnt und rege mich nur noch minimal auf. Also, über die Ampel.
Zudem bietet diese Tatsache immer wieder Gesprächsstoff bei weniger tiefschürfenden Plaudereien.
„Wie, Du musst da immer halten?? Ich nie.“
Dabei wirst du ungläubig betrachtet, als hättest du gerade ein Toast entwickelt, das, wider allen Naturgesetzen, niemals mit der gebutterten Seite nach unten zu Boden fällt.

Nein, ich nehme das nicht persönlich. Ist so ein Ding, das zur Gewohnheit wird.
Vergleichbar mit dem TV-Programm. Wenn du mal Lust auf Enterbrainment hast, dann flimmert nur Recyclingware über die Mattscheibe. Die Waltons oder so. Lagen beim Filmdiscounter im untersten Regal und werden nun als Blockbuster angepriesen.
Na ja, immer noch besser als Werbung für Milchschnitte, denke ich dann und erinnere mich an Zeiten, wo solches wirklich ein Highlight war. Weiß noch, wie die Familie gesammelt vor dem Kanalschwimmer saß, als Schweinchen Dick im Abendprogramm lief. Zeichentrick in Schwarz-Weiß und wir fanden es urkomisch. Dürfte heute wohl keinen Stich mehr machen gegen Power Rangers oder was aktuell an der Popcornfront gehandelt wird.

Das ist der Ampel natürlich latte. Also, der am Ortsausgang. Die ist sogar farbig und sendet immer. Tag und Nacht. Zugegeben - wenig abwechslungsreich und in meinem Fall sogar ziemlich vorhersehbar.
Nein, ist ok. Macht mir gar nichts.

Trotzdem war die Reaktion der Ordnungsmacht ziemlich überzogen. Letzte Woche, als ich wieder an die Kreuzung fuhr und stoppen musste. Die Fußtritte gegen die Ampel haben der nun wirklich nicht geschadet. Gut, das mit der Kettensäge war möglicherweise etwas überzogen, aber hätte da gleich der silberblaue Partybus vorfahren müssen? Blaulicht und jede Menge Schülerlotsen an Bord. Irrsinnig aufgeregt haben die sich. Vor allem, als die dann noch das Seil entdeckten, das ich um den Stromverteiler gewickelt und an meine Stoßstange geknotet hatte. Kam ja nicht mal zum Anfahren. Ziemlich disharmonisch wurden die. Von wegen versuchte Sachbeschädigung und so.
Lächerlich.

Die Einladung zum Friedensgipfel wollten die dann auch nicht annehmen. Dabei hätten wir mal ganz cremig einen Lungendübel mit Schuss kreisen lassen können.
Beste Ware. Hat mir kürzlich jemand im Bahnhofsklo zugesteckt.
Wollten die aber nicht.
Wurden sogar noch unentspannter.
Na ja, egal.
Ganz scharf waren die auf meinen Führerschein.
Ich gebe gerne, wenn ich habe. Bin da nicht so. Ließ ihnen das Ding also leihweise da. Taten mir irgendwie leid. Schienen kein eigenen zu haben.
Bekomme den auch wieder, meinte einer von denen. Irgendwann.

Jedenfalls fahre ich jetzt Fahrrad.
Saukalt, aber wahnsinnig gesund und außerdem kann ich die Kreuzung umfahren.
Ganz ohne Ampel.

© by P.H.