Wohlfeiles für den Alltag
Es begann zu dämmern, als ich meine Schritte durch eine Nebenstraße der Einkaufsmeile lenkte.
Die Tasche mit den erbeuteten Geschenkartikeln schnitt schmerzend in die rechte Hand.
Durchaus beruhigend, gab es mir das Gefühl, eine erfogreiche Jagd absolviert zu haben.

Die sparsame Straßenbeleuchtung ließ die Häuserfronten in einem unwirklichen Farbton erscheinen. Nie zuvor hatte ich diesen Weg genommen, war ich mir aber denoch sicher, in dieser Richtung den Parkplatz zu finden.
Während des Marsches wurden mit einem Mal meine Blicke auf ein Schaufenster gelenkt, schien es doch so unpassend zu den bunten, blinkenden Weihnachtsdekorationen der Innenstadt.
„Wohlfeiles für den Alltag“, las ich auf dem wettergezeichneten Schild, das über der kleinen Eingangstür prangte.
In der Auslage einige Dinge, die auf mich den Eindruck machten, als wäre die Zeit an diesem Laden wirkungslos vorübergezogen.
Meerschaumpfeifen, Besen, Füllfederhalter und Tassen – eine bunte Sammlung unspektakulärer Waren.

Es muss wohl meine Neugier gewesen sein, die mich dazu bewog, einen Blick in diesen sonderbaren Laden zu werfen. Mit dem hellen Ton eines Glockenspiels öffnete sich die Tür, als ich sie aufschwingen ließ. Im Halbdunkel erkannte ich einen kleinen Raum, der bis unter die Decke mit allerlei praktischen Dingen ausstaffiert war. Fein säuberlich in altertümlichen Holzregalen ausgelegt.

Amüsiert glitten meine Blicke über die Vielfalt, als mich eine Stimme innehalten ließ:
„Guten Abend, darf man ihnen behilflich sein ?“
Aus dem Halbdunkel schälte sich schemenhaft eine ältere Dame hervor. Langes, weißes Haar umgab ein freundliches Gesicht, das eine Wärme ausstrahlte, die sich scheinbar nahtlos in das Sortiment einzufügen schien.
Überrascht dürften meine Worte geklungen haben:
„Guten Abend, ich sah ihren Laden und war neugierig…na ja, eigentlich wollte ich nur mal einen Blick hineinwerfen…“

Sie lächelte und machte einen Griff in ein Regal, das verborgen hinter ihr stand. In der Hand hielt sie nun eine Kerze, die sie mir präsentierte.
“Das ist es, was sie haben sollten.“
Verwirrt begann ich in den Taschen nach meinem Geldbeutel zu suchen, als sie kurzerhand die Kerze in eine meiner Tüten gleiten ließ.
„Nein, betrachten sie es als Geschenk. Es soll ihnen Glück bescheren.“
Höflich bedankte ich mich und werließ wenig später den Laden.

Es war bereits dunkel, als ich meine Wohnung erreichte. Die Tür fiel hinter mir ins Schloss und mit erleichternder Zufriedenheit begann ich meine Einkäufe sorgsam zu sortieren, da fiel mir die Kerze in die Hände.
Nicht sonderlich ungewöhnlich. Eine grobe Handarbeit aus gelbem Wachs.
Für diesen Moment ideal, um mir meinen Abend stimmungsvoll zu verschönern. So nahm ich Platz auf der Couch, betätigte den Knopf des Fernsehapparates und zündete die Kerze an.
Wohltuender Duft verbreitete sich im Raum. Behagliche Entspannung strömte durch meinen Körper und so sank der Kopf auf das Kissen. Wenig später fand ich mich in einem Traum wieder.
Kein angenehmer Traum – das unbekannte Gesicht eine jungen Mädchens, blutüberströmt. Berstendes Metall, Schreie…Schreie, die mich hochschrecken ließen.

Schweißüberströmt erwachte ich und bemerkte, dass bereits der Morgen angebrochen war. Helles Licht flutete durch die Fenster.
Mein Kopf dröhnte und ich fühlte mich wie nach einer Betriebsfeier mit dem Brauereiverband.
Frische Luft erschien mir das geeignete Mittel, um diesen Zustand entgegenzuwirken.
So schlüpfte ich in meine Jacke und verließ die Wohnung, um einen Spaziergang im nahe gelegenen Park zu absolvieren.

Der Weg führte mich entlang der hohen Parkmauern. Mauern, die dem Lärm des geschäftigen Stadttreibens trotzten.
Es mochte eine halbe Stunde verstrichen sein und mein Kopf begann sich zu klären, als mir ein junges Mädchen auf einem Fahrrad entgegenkam.
Unsicherer Fahrt benötigte sie ein gutes Stück der Wegesbreite, um voranzukommen.
Ich blickte sie an und erstarrte. Wolbekannt erschien sie mir.
Es war jenes Mädchen, das mir zuvor im Traum erscheinen war.

Ich weiß heute nicht mehr, was mich dazu bewegt haben mochte – mit einem lauten Ruf stoppte ich ihre Fahrt.
„Hey...warte einen Moment.“
Ein merkwürdig dringendes Gefühl, sie aufhalten zu müssen.
Erstaunt betätigte sie ihre Bremse und kam vor mir zu stehen.
Ich setzte an und wollte sie gerade zu ihrer Fahrweise ansprechen, als ohrenbetäubender Lärm hinter meinem Rücken ertönte.
Aus den Augenwinkeln nahm ich die Umrisse eines Lastwagens wahr, der gerade wenige Meter hinter uns die Parkmauer durchbrach und nun quer auf dem Weg mit quietschenden Bremsen stoppte.
Menschen eilten herbei und bargen den Fahrer aus der Kabine, der offenichtlich keine Verletzungen erlitten hatte.
Mit sorgenvollem Blick vergewisserte ich mich, dass dem Mädchen nichts geschehen war.

Die spätere Untersuchung ergab, dass dem Schwertransporter während der Fahrt eine Radachse gebrochen war und den Wagen unlenkbar werden ließ.

Übrigens, den Laden in der Seitenstraße habe ich trotz wiederholter Suche nicht mehr finden können…

© by P.H.